Lernen, Kleidung wieder wertzuschätzen ©stock.adobe.com ValentinValkov
Lifestyle

Nachhaltig kleiden

Lernen, Kleidung wieder wertzuschätzen

Kommt Ihnen das bekannt vor? Bevor es in den Urlaub geht, schnell noch ein paar neue Shirts kaufen. Viele kennen das, denn die Deutschen kaufen nachweislich reichlich neue Kleidung – durchschnittlich bis zu 60 Teile pro Jahr. Das meiste davon wird in Asien hergestellt. Manche Sachen riechen förmlich nach Chemie – ein Indiz für schädliche Textil-Zusatzstoffe, die unter die Haut gehen. Modedesignerin Thekla Ahrens entwickelt seit über 25 Jahren Kollektionen für Modelabel und Dienstkleidung für Unternehmen und hat auch schon in Asien gearbeitet. Im Interview sprechen wir mit ihr über Nachhaltigkeit bei der Produktion von Bekleidung und beim Kaufverhalten. Sie verrät, worauf man bei Kleidung achten sollte, um Umwelt und Haut zu schonen.

©Jonas Gonell
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Dein Leben dreht sich um Design und Mode – wie oft gehst du shoppen?
Thekla Ahrens:
Ich gehe nicht viel shoppen und handele dadurch nachhaltiger, da ich meine Kleidung lange trage. Manches habe ich sogar schon seit 20 Jahren. Ich bin natürlich häufig in Shops unterwegs, dann mache ich aber eher, wie es in meiner Branche heißt, „Storechecks“. Das bedeutet, ich schaue mir an, was die anderen machen.

 

Es geht um den Verbrauch und die -Verschwendung von Ressourcen. -Deutsche kaufen viel – durchschnittlich bis zu 60 Teile pro Jahr.

 

Wo steckt das Thema „Nachhaltigkeit“ in der Bekleidungsindustrie?
Nachhaltigkeit bei Bekleidung heißt lückenlose, faire Prozesse von der Rohfaser bis zur Einkaufstüte. Bei der Preisgestaltung ist die Entwicklung der Passform dabei ein vom Verbraucher oft unterschätztes Qualitätsmerkmal. Dadurch wird Kleidung teuer, aber auch langlebiger, denn sie sitzt gut und behält lange ihre Form. Auf diese Passform lege ich Wert – privat wie auch beruflich. Hier zeigt sich am ehesten Nachhaltigkeit. Hochwertig produzierte Bekleidung findet man übrigens auch in Bangladesh oder China.

Bei der Beurteilung von Nachhaltigkeit und Verträglichkeit ist es wichtig, die gesamte Lieferkette ins Visier zu nehmen. Erst daran lässt sich eine wirklich nachhaltige Produktion beurteilen. Ein Öko-Zertifikat für Biobaumwolle alleine reicht dafür nicht aus.

Shoppen ohne schlechtes Gewissen – welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
Es geht um den Verbrauch und die Verschwendung von Ressourcen. Die Wertschätzung für Bekleidung muss wieder in die Köpfe kommen. Lieber gezielt und wenig kaufen – das wirkt positiver als ein Dutzend Billig-Shirts aus Biobaumwolle. Baumwolle wird geerntet, gewebt, verarbeitet, transportiert, genäht, ausgeliefert, verkauft und alle wollen daran etwas verdienen. Jeder, der darüber nachdenkt, weiß, dass dies nicht machbar ist bei einem Shirt, das nur wenige Euro kostet. Ein Tipp? Ich kaufe nicht vor dem Urlaub ein, sondern nehme das Geld, um mir am Urlaubsort, ein hochwertiges, für mich einzigartiges Teil zu leisten. Zuhause erinnert es dann an die tolle Zeit und ich habe einen ganz anderen Bezug und Wertschätzung zu diesem Kleidungsstück. Die Kaufmasse zu reduzieren ist das A und O. Hierbei kann jeder sein Kaufverhalten hinterfragen und ändern.

Welche Umweltauswirkungen haben Trends wie Fast -Fashion?
Fast Fashion – also nur kurz getragene, günstige, schnell entsorgte Kleidung – geht aus meiner Sicht gar nicht. Wer sich nur von Fast Food ernährt, wird auch auf Dauer krank und schadet der Umwelt. Das ist mit Fast Fashion ähnlich. Es gibt aber auch Labels, die nachhaltige Mode anbieten, ohne zu teuer zu sein. Meist handelt es sich dann um Basics ohne viel Schnickschnack. Denn man muss bedenken, auch Knöpfe, Reißverschlüsse, etc. sollten auch nachhaltig hergestellt worden sein.

 

Je enger die gefärbten -Textilien auf der Haut sitzen, umso schneller und heftiger können Hautreizungen auftreten.

 

Wie kann ich als Verbraucher feststellen, ob mein neues Outfit nachhaltig ist?
Gute Qualität auszumachen, ist nicht einfach, dafür muss man im Siegel-Dschungel durchsteigen. Ich empfehle die Website „siegelklarheit.de“. Da werden die Siegel definiert. „GOTs“ ist derzeit das aussagekräftigste, denn hier wird die gesamte Produktionskette überwacht. Vom Anbau zur Verarbeitung bis hin zur Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit wird alles überprüft. Darauf kann man sich ziemlich verlassen. Das Zertifikat ist im Pflegeetikett zu finden, achten Sie einmal darauf! Andere Siegel stehen für die Qualität der Ware, sagen aber nichts über deren Produktion aus. „Ökotex-Standard“ sagt aus, dass die fertigen Textilien auf Schadstoffe geprüft sind. Das ist das Mindeste, was sein muss, finde ich! Unter „getchanged.net“ findet man Shops, die nachhaltige Kleidung anbieten. Die wenigsten Labels verbinden jedoch beides: Fair und ökologisch zu produzieren.

 

Textilekette
Textilekette
Textilekette
Textilekette


Warum riechen manche Textilien förmlich nach Chemie und erwecken einen ungesunden Eindruck?
Stoff, der gewebt wird, ist noch nicht fertig. Danach kommt die Ausrüstung, das sind chemische Behandlungen, damit er fließt, nicht knittert und so weiter. „Bügelleicht“ ist dabei ökologisch sehr schlecht, denn hier wird der Stoff z. B. mit Ammoniak behandelt. Zwar finden sich im Material später kaum Rückstände, doch die Chemikalie wurde eingesetzt und gelangt ins Abwasser. Obwohl die Verwendung von Farbstoffen besser geworden ist, werden noch immer fragwürdige Chemikalien dafür eingesetzt. Je nach Produktionsland sind die Auflagen hier unterschiedlich. Der Hinweis im Etikett „separat waschen“ ist meist ein Indiz für lösbare Farbstoffe. AZO-free muss es in Europa sein, um als gesundheits- und umweltverträglich durchzugehen. Um das richtige „Schwarz“ zu erzielen, werden harte Chemikalien notwendig.

Faustregel: Je heller Stoffe sind, desto besser verträglich. „Schneeweiß“ hingegen wird gebleicht, hier kommt Chlor zum Einsatz. Tragen Sie lieber Ecru (Naturweiß), das ist umwelt- und hautverträglicher. Generell gilt: Je enger die gefärbten -Textilien auf der Haut sitzen, umso schneller und heftiger können Hautreizungen auftreten.

Mich wundert auch, dass die heutige Hightec-Sportausrüstung so gut ankommt. Das ist nichts anderes als Mikroplastik – mit jedem Waschgang gelangt es ins Abwasser. Sportler tragen Polyester auf der gesamten Haut, keiner beschwert sich darüber. Die eng sitzende Ware führt dann auch noch viel schneller zu Hautreizungen, wenn man schwitzt. Das wird akzeptiert, ist aber nicht nachhaltig.

Jeans sind wohl am wenigsten umweltfreundlich, hier werden sehr viel Chemikalien und Waschungen gebraucht um den used Look zu erzielen. Wer etwas für die Umwelt tun will, greift eher zum unbehandelten Jeansstoff.

Kannst du uns deine besten Pflegetipps verraten?
Vorm ersten Tragen alles bitte waschen! Wer wie ich Bekleidungsfabriken von innen gesehen hat, kann nachvollziehen, warum besonders billige Kleidung unbedingt sofort gewaschen werden muss.

Bei der antimikrobakteriellen Behandlung von Stoffen muss man Nutzen und Risiken abwägen. Bei Krankenhausbettwäsche oder Zelten macht das durchaus Sinn. Hier werden Bakterien und Pilze in der Vermehrung gehemmt, für Bekleidung im normalen Gebrauch echt übertrieben, und man kann sich die Frage stellen, was schädlicher ist: Chemikalien, die in der Kleidung verbleiben oder Bakterien, die sich vielleicht entwickeln? Wer nur keimfrei lebt, entwickelt leichter Allergien.

Zur guten Pflege rate ich, keinen Weichspüler zu verwenden und keinen Trockner zu nutzen. Wäsche sollte am besten im Freien trockenen – das schont die Fasern!

 

Gute Qualität auszumachen, ist nicht -einfach, dafür muss man im Siegel-Dschungel durchsteigen. Ich empfehle die Website „siegelklarheit.de“.

 

Was würdest du gerne in der Modeindustrie ändern?
Saisonbedingte Bekleidung könnte komplett wegfallen und damit auch die überbordenden „Sales“. Heutzutage ist ohnehin alles möglich und viele Trends laufen parallel: eng, weit, kurz, lang, casual, elegant – völlig aus der Mode zu fallen, entfällt daher. Es braucht gar nicht so viele Teile, um souverän rüberzukommen.

Die Betrachtung der gesamten Lieferkette macht wirklich Sinn. Dem Kunden, der ein neues Bekleidungsteil kaufen will, wird es nicht gerade leicht gemacht. Transparenz, Auszeichnung und Aufklärung, wie auch in der Nahrungsmittelindustrie gefordert, würden helfen.

 

©istockphoto.com - m-imagephotography
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Nachhaltigkeit beim Einkauf


Was machen mit Bekleidung, die man nicht mehr tragen, aber auch nicht wegwerfen will?
Wieder in den Kreislauf bringen, ist mein Tipp: auf dem Flohmarkt, im Secondhand-Laden, beim Treffen mit Freunden. Wenn man es gar nicht verschenken kann, können daraus auch Putzlappen entstehen. Upcycling geht auch. Das hat die Modeindustrie längst erkannt und lässt es aussehen wie ein Markenlabel.

Ein „nach“-haltiger Satz zum Abschluss?
Letztlich geht es nicht nur in der Modeindustrie darum, dazu zu stehen, was man ist und tut. Das sollte die Philosophie – nicht nur bei Bekleidung – sein.

Fast Fashion und Sale
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