Du atmest ein,  du atmest aus?... ©stock.adobe.com ValentinValkov
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Tiefes Luftholen lernen

Du atmest ein, du atmest aus?...

Was haben zum Beispiel Leistungssportler und Sänger gemeinsam? Sie trainieren ihre Atmung, um ihr Lungenvolumen und damit ihre Leistungs­fähigkeit zu steigern – mit Erfolg. Konzentriertes Atmen hilft, sich in Balance zu halten und Stress abzubauen.

Babys und Kinder nutzen automatisch die natürliche Bauchatmung. Mit der Zeit ändern wir unsere Atemtechnik und eignen uns die flache Brustatmung an.

 

Portraitfoto
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Von Geburt an funktioniert das Atmen ganz automatisch. Doch es gibt immer wieder Momente, da halten wir die Luft an und es stockt uns sprichwörtlich der Atem. Zum Beispiel atmen wir schneller und flacher in Ausnahmesituationen wie Stress, Angst oder Überforderung. Auf Dauer ist das nicht gesund und kann zu Bluthochdruck und Herzkrankheiten führen.

 

Babys atmen automatisch „in den Bauch“, dabei dehnt sich der Bauch beim Einatmen aus. Neugeborene machen in ruhiger Verfassung bis zu 45 Atemzüge in der Minute, Erwachsene 14 bis 18 Atemzüge. Im Laufe des Lebens wechseln wir von der tiefen Bauchatmung zur wesentlich flacheren Brustatmung. In den Bauch zu atmen, ist entspannend für Körper und Geist – der Blutdruck sinkt und die Verdauung wird gefördert.

Durch das Schönheitsideal „Flacher Bauch“ haben sich viele angewöhnt auf die tiefe Bauchatmung zu verzichten. Auch enge Kleidung, die unserem Bauch nicht genügend Spielraum zum Atmen gibt, lässt uns eher flach atmen, statt tief ein- und auszuatmen. Durch zu langes, angespanntes Sitzen im Alltag wird der Bauch ebenfalls stundenlang eingezwängt und freie Bauchatmung unmöglich. Das lässt sich ändern und Sie gewinnen ein besseres Körpergefühl.

Durch gezielte Atemübungen lässt sich das Bauchatmen erlernen. Wie das geht? Wir haben Indra Hartmann gefragt, sie praktiziert seit 15 Jahren Yoga und damit verbundene Atemtechniken.

 

Was bedeutet „bewusst zu atmen“?
Atmung ist ein überlebensnotwendiger Reflex: Es bewusst zu tun, bedeutet, das Ein- und Ausatmen selbst zu steuern, das Lungenvolumen zu erhöhen, die Konzentration und emotionale Ausgeglichenheit zu fördern. Wichtig ist bei der Atmung, dass sich das Zwerchfell bewegen kann: Ziehen Sie die Schulterblätter leicht zusammen, dann kommen die Schultern in die richtige Position. Sie richten sich automatisch auf, das Zwerchfell zieht sich beim Einatmen nach unten, dabei wölbt sich der Bauch leicht nach vorne und der Herzmuskel wird in die Länge gedehnt. Beim Ausatmen gleitet das Zwerchfell wieder in die Ausgangsposition zurück. Ist das Zwerchfell locker und entspannt, fällt es leichter, tief in den Bauch zu atmen. Ist es verspannt, verfällt man in die flache Atmung und es wird dem Körper weniger Sauerstoff zugeführt. Dadurch ist die Durchblutung verschlechtert und die körperliche wie geistige Leistungsfähigkeit wird vermindert. Nutzen Sie die Einatmung, um viel Sauerstoff aufzunehmen und atmen Sie auch vollständig aus, um das CO2 weitgehend wieder auszustoßen.

 

Welche Veränderungen haben Sie durch die Anwendung von Atemtechniken bei sich selbst wahrgenommen?
Durch die gezielte Atmung gelingt es mir, meine Energie beziehungsweise Kraft besser einzuteilen, sie bewusst durch den Körper zu lenken. Das ist im Alltag nützlich. Früher habe ich schneller und ungleichmäßiger geatmet. Ich war generell ein unruhiger Typ, konnte nicht so gut abschalten. Das hat sich mittlerweile stark verändert, ich bin gelassener, geduldiger und emotional viel ausgeglichener geworden.

 

Welche Atemübungen empfehlen Sie Anfängern?
Ich nenne hier ein paar Atemtechniken, die leicht und meist für jeden durchführbar sind. Wer weitergehen will, sollte sich von einem Coach oder Therapeuten fachlich einführen lassen. Wer unter Vorerkrankungen leidet, unter Bluthochdruck oder Schwindelgefühlen sollte generell vorher seinen Arzt befragen.

 

Ein Selbsttest – wie atmen Sie?
• Legen Sie die Hände auf den Bauch und atmen Sie ganz normal ein und aus.

• Was nehmen Sie wahr – hebt sich Ihre Bauchdecke beim Einatmen und senkt sie sich beim Ausatmen, dann atmen Sie in den Bauch. So wäre es optimal!

• Spüren Sie kaum oder keine Veränderung beim Bauch, dann atmen Sie nur flach in die Brust, die sogenannte Brustatmung. Das ist dauerhaft nicht die ideale Atemtechnik.

 

Die folgenden Übungen sind zur Beruhigung oder auch für eine belebende Wirkung geeignet, je nachdem ob man die Einatmung oder die Ausatmung betont. Wenn Sie drei Zähleinheiten lang ein und sechs Zähleinheiten ausatmen, betonen Sie die Ausatmung, so wirkt die Übung beruhigend. Betonen Sie die Einatmung, wirken sie belebend. Die Zähleinheiten können langsam gesteigert werden.

 

Die Übungen sind zur Beruhigung oder Belebung, je nachdem ob man die Ein-
oder Ausatmung betont ...

 

1 Die dreigeteilte Atmung (Bauch-Brust-Schulter)
Die Übung eignet sich gut zur Vorbereitung bei anstrengender körperlicher Bewegung und stärkt das Atembewusstsein. Sie kann im Stehen, Sitzen oder Liegen geübt werden.

Legen Sie die Hände auf den Bauch, und atmen Sie durch die Nase bewusst in den Bauch ein, sodass Sie die Wölbung des Bauches spüren. Lassen Sie den Atem aus dem Bauch wieder über die Nase ausströmen, und ziehen Sie dabei den Bauchnabel leicht nach innen und oben.

Dann legen Sie die Hände auf den Brustkorb und atmen durch die Nase bewusst in die Brust hinein, sodass Sie die Hebung des Brustraumes spüren. Atmen Sie aus der Brust über die Nase wieder aus, und senken Sie den Brustkorb.

Legen Sie die Hände auf die Schlüsselbeine, und atmen Sie durch die Nase bewusst in den Schulterraum hinein, sodass Sie die Öffnung spüren können. Atmen Sie aus dem Schulterraum wieder aus, und senken Sie die Schlüsselbeine ab.

Nehmen Sie wahr, wie der Atem über die Nase in die einzelnen Körperteile hinein und wieder hinausströmt. Mit etwas Übung können Sie mit einem Atemzug, je zu einem Drittel in den Bauch, in die Brust und in die Schultern ein und ausatmen und alle drei Räume gleichzeitig erspüren.

 

Die dreigeteilte Atmung (Bauch-Brust-Schulter)
Die dreigeteilte Atmung (Bauch-Brust-Schulter)
2. Übung
2. Übung

 

2 Die Wechselatmung
Diese Atemtechnik führt zu mehr Ausgeglichenheit, gibt innere Ruhe und fördert die Konzentrationsfähigkeit. -Atmen Sie einige Male langsam durch beide Nasen-löcher ein und aus. Achten Sie auf eine gerade Sitzhaltung und dass der Kopf aufgerichtet bleibt – der Hals ist die Verlängerung der Wirbelsäule. Führen Sie eine Hand zur Nase. Der Ellenbogen ist nah am Körper und die Schulter entspannt. Nun schließen Sie die Nasenlöcher abwechselnd mit dem Daumen und dem Ringfinger der Hand, die Sie dazu nutzen mögen. Verschließen Sie das rechte Nasenloch und atmen Sie durch das linke Nasenloch ein. Verschließen Sie die linke Seite und atmen Sie durch das rechte Nasenloch aus. Atmen Sie rechts ein, verschließen Sie die rechte Seite und atmen links wieder aus. Wiederholen Sie diesen Zyklus. Entweder Sie praktizieren das mit gleich langer, gleichmäßiger Ein- und Ausatmung, die Sie je nach Bedarf erhöhen, oder Sie halten auch zwischen der Ein- und Ausatmung den Atem an. Während der Anhaltephase sind beide Nasenlöcher verschlossen. Beginnen Sie hier mit dem gleichen Verhältnis von Einatmen und Atemanhalten, während die Ausatmung doppelt so lang ist. Wenn Sie damit vertraut sind, können Sie die Dauer steigern.

 

3 Diese Atemübungen helfen bei Schlafstörungen
Da empfehle ich zwei mögliche Übungen: Atmen Sie langsam, und zählen Sie Ihre Atemzüge, anstelle von „Schäfchen zählen“. Ein Atemzug ist eine Einatmung und eine Ausatmung. Wenn Sie sich auf Ihre Atmung konzentrieren, werden die Gedanken ruhiger und der Herzschlag normalisiert sich.

Entspannen Sie das Gesicht, der Kiefer ist locker und die Zunge liegt ruhig im Mund. Atmen Sie ein, und zählen Sie dabei bis vier. Atmen Sie aus, und zählen Sie bis vier. Wiederholen Sie das fünfmal. Dann atmen Sie noch tiefer ein und zählen bis fünf, atmen Sie aus und zählen ebenfalls bis fünf. Wiederholen Sie das fünfmal. Atmen Sie noch einmal tiefer ein, und zählen Sie nun beim Ein- und Ausatmen bis sechs, wiederholen Sie das fünfmal.

 

Stimmungen schlagen sich auf den Atem nieder ... umgekehrt kann Atmung die Stimmung beeinflussen.

 

Was passiert dabei, und was nützt es?
Die Stimmungen schlagen sich auf den Atem nieder, und so kann auch umgekehrt, wie in den Techniken beschrieben, über die Atmung die Stimmung beeinflusst werden. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man Einfluss auf die Stimmung, beziehungsweise auf die Veränderung der Stimmung, haben kann. Das gibt Selbst-Bewusstsein, und Sie entwickeln ein Gefühl dafür, sich selbst und eigene Bedürfnisse besser zu erspüren und danach zu handeln. Sie lernen Ihre Energie effektiver zu nutzen, sich abzugrenzen und wenn notwendig, ehrlicher zu sich selbst und anderen zu sein.

Persönlich nutze ich die beschriebenen Atemtechniken auch zur Beruhigung. Obwohl ich versuche, dass die Aufregung anderer Menschen mich nicht beeinflusst, klappt das nicht immer, und dann bin ich sehr dankbar, diese einfachen und effektiven Übungen anwenden zu können. Mittlerweile erziele ich eine schnelle Wirkung, um mit diesen und anderen Übungen wieder in mein eigenes Gleichgewicht zu kommen.

Gutes Körpergefühl – Atmung
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