Eine Frau steht vor einem Spiegel und hält sich lachend ein Auge zu. Die andere Hand liegt auf ihrem Kopf. Das Bild wird im Magazin "Perfekt? Lieber nicht" verwendet.

Nicht perfekt? Warum Imperfektion der Seele guttut

Selbstoptimierung als Dauerzustand?

Ob im Job, als Elternteil, im Freundeskreis oder in den sozialen Medien – viele Menschen stehen unter einem enormen Druck, alles gleichzeitig perfekt zu meistern. Der Haushalt soll laufen, die Kinder sollen glücklich sein, der Terminkalender abgearbeitet und der Kopf voll guter Ideen. Was auf Dauer bleibt, ist oft das Gefühl: Ich reiche nicht. Ich bin nicht genug.

Dieser innere Anspruch nach Perfektion ist weit verbreitet und kann zur Belastung werden. Denn wer ständig versucht, jeder Rolle vollständig gerecht zu werden, läuft Gefahr, das eigene Wohlbefinden aus dem Blick zu verlieren.

Was Perfektionismus mit der Psyche macht

Studien zeigen: Perfektionismus kann Stress, Erschöpfung und depressive Symptome verstärken. Besonders kritisch wird es, wenn das Selbstwertgefühl an die eigene Leistung gekoppelt ist – also an das, was man tut statt an das, was man ist. Die Folge: Selbst kleine Fehler oder ungeplante Pausen lösen Schuldgefühle aus.

Dabei ist es völlig menschlich, nicht immer alles im Griff zu haben. Fehler gehören zum Alltag. Sie machen uns nicht schwächer, sondern realistischer. Wer sich selbst mit mehr Nachsicht begegnet, stärkt langfristig die eigene Resilienz und seine psychische Gesundheit.

Imperfektion als Schutzfaktor

Psychologen betonen: Nicht die Abwesenheit von Fehlern macht uns gesund, sondern der Umgang mit ihnen. Wer lernt, mit sich selbst mitfühlend umzugehen, schützt sich besser vor innerem Druck, Erschöpfung und Überforderung. Diese Haltung hat einen Namen: Selbstmitgefühl.

Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst wie eine gute Freundin zu behandeln – besonders in schwierigen Momenten. Es geht darum, das eigene Menschsein anzunehmen: mit Licht- und Schattenseiten, mit Stärken und Grenzen.

Familienleben: Der Nährboden für hohe Ansprüche

Gerade im Familienalltag zeigen sich die Fallstricke des Perfektionismus besonders deutlich. Viele Eltern möchten alles richtig machen – dabei ist „richtig“ selten eindeutig. Kinder spüren jedoch schnell, ob ihre Bezugspersonen gestresst oder innerlich angespannt sind.

Perfekt organisierte Tagesabläufe, selbstgekochte Mahlzeiten und pädagogisch wertvolle Freizeitangebote sind schön, aber nicht das Entscheidende. Was Kindern vor allem guttut, sind entspannte Bezugspersonen, authentische Vorbilder und Raum für echte Begegnung. Und das geht nur, wenn auch Eltern sich erlauben, nicht perfekt zu sein.

Fünf Impulse für mehr Gelassenheit

  1. Fehler nicht bewerten, sondern benennen: Statt sich zu ärgern („Ich habe versagt“), lieber sagen: „Das ist mir nicht so gelungen wie geplant und das ist okay.“
  2. Sich selbst so behandeln wie einen Freund: Was würden Sie Ihrer besten Freundin in dieser Situation raten? Wahrscheinlich nicht: „Streng dich mehr an!“
  3. Vergleiche bewusst stoppen: Besonders in sozialen Medien entsteht leicht der Eindruck, alle anderen hätten ihr Leben besser im Griff. Das ist selten die ganze Wahrheit.
  4. Unperfekte Momente feiern: Die chaotische Frühstücksrunde, das improvisierte Abendessen oder das zerzauste Kuscheln auf dem Sofa – genau das sind oft die schönsten Erinnerungen.
  5. Den eigenen Anspruch hinterfragen: Muss wirklich alles perfekt laufen oder darf auch „gut genug“ reichen?

Weniger Druck, mehr Lebensqualität

Imperfektion ist kein Mangel, sondern eine Erinnerung daran, dass wir Menschen sind. Mit Gefühlen, mit Ecken und Kanten, mit Pausenbedarf. Wer sich erlaubt, nicht perfekt zu sein, lebt oft leichter, gesünder und zufriedener.

Was hilft, sind realistische Erwartungen, mehr Selbstfürsorge und das Wissen, dass seelische Gesundheit mit der Haltung zu sich selbst beginnt.